Abor & Tynna: Reicht die Performance für die Top 10?

Foto: Imago / Hartenfelser

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Die Eurovision-Saison ist in vollem Gange und wie jedes Jahr dreht sich alles um schrille Auftritte, politische Feinfühligkeiten, Stars und Songs, die im besten Fall noch Wochen später im Kopf nachhallen. Zwischen den üblichen Verdächtigen und favorisierten Power-Balladen rückt plötzlich ein Duo ins Rampenlicht, das bisher nur wenigen geläufig war: Abor & Tynna. 

Zwei Geschwister aus Österreich, die für Deutschland antreten und mit ihrem Song „Baller“ mehr Staub aufwirbeln, als so manchem lieb ist. Kein Pomp, keine Kostümschlacht, kein Pathos und doch sprechen plötzlich alle über sie. Doch ist das alles nur ein kurzer Hype oder steckt mehr dahinter? Eine nüchterne Analyse zwischen Clubsound, Chartplatzierungen und der ganz großen Frage: Reicht das für die Top 10?

Ein Elektropop-Stück, das nicht gefallen will, sondern trifft!

„Baller“ ist kein Song, der sich anbiedert oder um jeden Preis gefallen will. Stattdessen liefert das Duo eine kühle, minimalistisch produzierte Elektropop-Nummer, die sich eher nach Berliner Untergrund als nach Mainstream-Bühne anhört und genau darin liegt ihr Reiz. Der Beat ist trocken, der Refrain ein Ohrwurm. Der ganze Aufbau des Songs reduziert, direkt und entschlossen.

Inhaltlich geht es um den Abschluss einer Beziehung, aber eben nicht im dramatischen Tonfall, wie man ihn vom ESC gewohnt ist, sondern klare Kante. Der Text wirkt wie ein Gesprächsabriss, fast schon lakonisch. Das verleiht dem Song eine erstaunliche Authentizität, die besonders dann zündet, wenn man sich von den gängigen Contest-Erwartungen löst.

Auch gesanglich bleibt alles bewusst unaufgeregt. Tynna verzichtet auf große vokale Sprünge, konzentriert sich auf Ausdruck statt Technik. Die Wirkung entsteht durch Haltung und Timing, nicht durch stimmliche Akrobatik. Und genau das scheint zu überzeugen, nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Buchmachern. 

Zwar sind ESC-Wetten in Deutschland nicht verboten. Aber mittlerweile gibt es sogar ein ESC-Angebot bei Lapalingo, das sich gezielt an ESC-Freunde richtet – nur eine von vielen Marketing-Aktionen rund um das Mega-Event.

„Baller“ hat einen Weg genommen, den ESC-Songs selten beschreiten. Statt durch Vorentscheide oder Fan-Hypes hochgespült zu werden, hat sich der Titel still und leise in die deutschen Spotify Top 50 geschlichen. Platz 13 in den Singlecharts ist für einen ESC-Beitrag keine Selbstverständlichkeit. 

Viele Titel schaffen es nicht einmal nach dem Finale auf die digitale Landkarte. Dass sich ein Song wie dieser also bereits Wochen vor dem Auftritt auf internationaler Bühne durchsetzt, ist bemerkenswert und vor allem ein Indiz.

Google-Trends spiegeln den Aufschwung ebenfalls wider. Suchanfragen rund um Abor & Tynna schnellen in die Höhe, sobald der Song erwähnt oder performt wird. Das mediale Interesse wächst, ganz ohne kalkulierten Skandal oder überinszenierten Vorfall. Es wirkt, als hätte der Song einfach einen Nerv getroffen. 

Was besonders auffällt: „Baller“ funktioniert auch dann, wenn man keine Ahnung vom ESC hat. Das könnte entscheidend sein. Denn viele Beiträge leben ausschließlich von ihrer Bühnenshow, sobald man nur hört, was da passiert, bleibt wenig übrig. In diesem Fall ist es umgekehrt. Der Song überzeugt erst im Kopfhörer, dann auf der Bühne.

Bühne frei für die Frage: Hält die Performance, was der Song verspricht?

Der ESC ist kein Streamingportal. Wer hier punktet, muss live abliefern. Genau hier beginnt das große Fragezeichen hinter dem österreichisch-deutschen Beitrag. In den Wochen vor dem Wettbewerb musste Tynna mehrfach Auftritte absagen. Die Stimme streikte, der Druck wuchs. Die Unsicherheit, ob sie beim Live-Auftritt in Topform sein wird, begleitet das Duo seither wie ein Schatten.

Hinzu kommt die reduzierte Ästhetik des Songs. Wo andere Acts auf 360-Grad-Bühnenfeuerwerke setzen, ist „Baller“ eher minimalistisch unterwegs. Wenig Bewegung, wenig Kulisse. Das kann im besten Fall hypnotisch wirken, im schlechtesten fallengelassen.

Die bisherigen Proben deuten auf eine eher intime Inszenierung hin. Nahaufnahmen, gezieltes Licht, keine große Geste. Das braucht Selbstbewusstsein. Und eine Stimme, die trägt. Sollte Tynna beim Finale ins Wanken geraten, gibt es kein Bühnenbild, das davon ablenkt. Gleichzeitig liegt genau darin auch eine Stärke: Wer es schafft, in dieser Reduktion zu glänzen, bleibt hängen.

Mitten im Mittelfeld: Wie „Baller“ im Vergleich dasteht

Die Konkurrenz beim ESC 2025 ist alles andere als schwach aufgestellt. Schweden bringt einmal mehr eine makellos produzierte Powerballade mit, Frankreich setzt auf gesellschaftliche Botschaften mit Gänsehautstimme und Österreich liefert eine Show, bei der es schwerfällt, die Augen abzuwenden. „Baller“ wirkt im Vergleich dazu fast schon zurückhaltend, doch das muss nicht zwingend ein Nachteil sein.  In den Wettquoten findet sich das Duo aktuell irgendwo zwischen Platz 19 und 22 wieder. Das ist solide, aber alles andere als komfortabel. 

Im Juryvoting könnten sie von einer guten Produktion, glaubwürdigen Texten und  klarer Linie profitieren, das mögen die Fachleute. Im Televoting hingegen wird es schwieriger. Viele Zuschauer entscheiden impulsiv. Da zählen erste Eindrücke, visuelle Reize und Songs, die schnell zünden.

Sprachwahl, Herkunft und die Frage nach der Identität

Ein deutschsprachiger Song, gesungen von einem Duo aus Österreich, das für Deutschland antritt, allein diese Kombination sorgt für Gesprächsstoff. Sprachlich hebt sich „Baller“ damit klar vom Großteil der Konkurrenz ab. Seit 2007 hat Deutschland keinen Beitrag mehr komplett auf Deutsch geschickt. Die Entscheidung wirkt wie ein Statement: gegen den internationalen Einheitsbrei, für mehr Authentizität.

Doch Sprache ist beim ESC ein zweischneidiges Schwert. Was für deutschsprachige Zuschauer wie eine mutige Rückbesinnung wirkt, bleibt für viele andere schlicht unverständlich. Zwar ist der Klang der deutschen Sprache im Song angenehm unaufgeregt, doch inhaltlich geht viel verloren, wenn man kein Wort versteht. 

Und dann ist da noch die Frage der Herkunft. Abor & Tynna stammen aus Wien, vertreten aber Deutschland, was laut Reglement völlig in Ordnung ist, dennoch für Verwunderung sorgt. Jedoch ist die ESC-Community nicht zimperlich, wenn es um nationale Identifikation geht. 

Risiko und Überraschung: Wo landet „Baller“ am Ende?

Der ESC ist ein unberechenbares Spektakel. Manchmal gewinnen Songs, die vorher niemand auf dem Schirm hatte, während Favoriten sang- und klanglos untergehen. „Baller“ bewegt sich genau dazwischen. Der Song hat bewiesen, dass er außerhalb der ESC-Blase funktioniert. Die Medienresonanz spricht für sich, ebenso die Streamingzahlen.

Doch das reicht nicht aus. Es braucht eine Performance, die nicht nur funktioniert, sondern trifft. Eine Stimme, die hält. Eine Präsenz, die fesselt. Nur dann kann der Song über die Bühne hinaus Wirkung entfalten. Und vielleicht genau dadurch überraschen.

Die Chancen auf die Top 10 sind da, nicht offensichtlich, aber real. Wenn alles passt, wenn der Auftritt sitzt und das Publikum einen Zugang findet, kann „Baller“ im oberen Drittel landen. Gelingt das nicht, reicht es womöglich nur für einen Platz im soliden Mittelfeld. Vieles wird sich erst in der Livesituation entscheiden. Aber eines steht jetzt schon fest: Dieser Beitrag fällt auf. Und allein das ist mehr, als viele anderen in diesem Wettbewerb je erreichen.

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